Reichstag, Plenarsitzungssaal. Public Domain. Deutsches Bundesarchiv via Wikimedia Commons

Wikimedia Lenken und Leiten: Fragen und Antworten zur Antragsgarage

Reichstag, Plenarsitzungssaal. Public Domain. Deutsches Bundesarchiv via Wikimedia Commons
Reichstag, Plenarsitzungssaal. Public Domain. Deutsches Bundesarchiv via Wikimedia Commons

Q: Wo warst Du am vorletzten Wochenende?

A: Ich war bei einer Veranstaltung beim Verein Wikimedia Deutschland, bei der Anträge an die Mitgliederversammlung besprochen wurden.

Q: Was ist denn ein Antrag?

A: Das oberste Entscheidungsorgan im Verein ist die Mitgliederversammlung. Damit die etwas entscheiden kann, muss ein Antrag vorliegen, den sie dann beschließt. Oder ablehnt.

Q:Was kann man denn beantragen?

A: Alles was den Verein betrifft. Da die Mitgliederversammlung alles beschließen kann, was den Verein betrifft, kann man auch alles beantragen

Anträge werden von Mitgliedern für alles mögliche missbraucht, das nicht in einen Antrag gehört. (ehrenamtlicher Wikimedia Funktionär)

Q: Was gibt es denn außer Anträgen für Möglichkeiten, um im Verein etwas zu verändern oder voranzubringen?

A: Mitglieder können das Präsidium wählen und über den Jahresplan abstimmen. Außerdem werden die Mitglieder in die strategische Planung einbezogen. Letzteres jedoch mit formal unklaren Auswirkungen.

Q: Sind das nicht zu wenig Möglichkeiten für Mitglieder, um an der Vereinsarbeit teilzunehmen?

A: Das denke ich auch. Es ist darum kein Wunder, dass Antragsteller alles mögliche in die Form eines Antrags pressen, um sich Gehör zu verschaffen oder um etwas zu verändern und so zu am Vereinsleben teilzuhaben.

Die Antragsteller kippen etwas ein und der Verein soll’s machen. (ehrenamtlicher Wikimedia Funktionär)

Q: Wenn sich aus den beschlossenen Anträgen Arbeitsaufgaben ergeben, wer setzt die denn um?

A: Der Vorstand ist dafür verantwortlich, die Beschlüsse umzusetzen.

Es nützt nichts, eine gute Idee anzubringen, die dann im luftleeren Raum hängt. (ehrenamtlicher Wikimedia Funktionär)

Q: Erfährt der Antragsteller Zwischenstände über die Umsetzung seines Antrags? Gibt es einen Schlussbericht?

A: Das ist derzeit nicht Brauch in unserem Verein.

Q: Warum nicht?

A: Das weiß ich nicht.

Die Antragsteller kommen mit einem Antrag an und dann werden sie nie wieder gesehen. (Wikimedia Mitarbeiter)

Q: Aber der Antragsteller ist doch irgendwie verantwortlich für seinen Antrag, oder? Ist er nicht irgendwie in der Pflicht, sich nach dem Stand der Umsetzung zu erkundigen oder Hilfe anzubieten?

A: Der Antrag des Antragstellers wird von der Mitgliederversammlung beschlossen. Danach beauftragt die Mitgliederversammlung den Vorstand mit der Umsetzung des Beschlusses. Der Antragsteller ist damit raus aus der Verantwortung. Er ist freilich ein interessanter Ansprechpartner für den Vorstand, da er sich vermutlich bestens mit dem Thema auskennt.

Q: Wenn der Antragsteller eigentlich nichts mit dem Beschluss zu tun hat – wie kann er dann die Umsetzung des Beschlusses beeinflussen?

A: Strenggenommen kann der Antragsteller die Umsetzung oder einen Bericht über die Umsetzung beim Vorstand nicht einfordern. Er kann aber die Mitgliederversammlung daran erinnern, dass dies eingefordert wird. Notfalls mit einem Antrag.

Anträge müssen konkrete Lösungsmöglichkeiten enthalten. (ehrenamtlicher Wikimedia Funktionär)

Anträge dürfen nicht zu detailliert sein, denn die Geschäftsstelle ist an den Wortlaut gebunden. (Wikimedia Mitarbeiter)

Q: Das finde ich verwirrend.

A: Es ist was es ist.

Das Projekt FFW sollte aufgelöst werden, denn die zugehörige Antragsdiskussion ist schwierig und belastet. (Wikimedia Mitarbeiter)

Q: Manchmal ist ein harter Schnitt bei einer schwierigen und langwierigen Diskussion bestimmt gut, oder?

A: Demokratische Willensbildung ist immer schwierig und belastet. Es ist harte Arbeit und muss nicht zwingend zu klaren Ergebnissen führen. Ein neuer Ansatz kann sehr erfrischend sein, darf jedoch nicht dazu führen, dass man die in den vorhergehenden Diskussionen erlangten Erkenntnisse verwirft.

Q: Die von Dir ausgewählten Zitate erwecken den Eindruck, als ob mit den Antragstellern geschimpft wurde. War das denn so?

A: Nein, das war nicht so. In der Diskussion wurde deutlich, dass der Umgang mit Anträgen und Beschlüssen im Verein verbessert werden muss. Es muss über die Umsetzung von Beschlüssen berichtet werden. Die Antragsteller müssen eingebunden werden, wenn die dazu bereit sind. Bei der Veranstaltung wurde frei von der Leber weg diskutiert, da kling manches Zitat härter, als es im Zusammenhang gemeint war.

Q: Gab es noch andere Themen?

A: Ja, es wurde über Partizipation gesprochen, aber ich war in einer Diskussionsrunde zur Jahresplanung. Bei der Diskussion zur Partizipation wurde unter anderem über die Tücken der Anwendung von Onlinewahlen gesprochen.

Q: Was ist denn da so schwierig?

A: Ich war leider nicht bei der Diskussion dabei. Ich habe jedoch die Vermutung, dass viel einfachere Methoden der Partizipation noch gar nicht in Betracht gezogen wurden. Wenn sich eine hoch motivierte Handvoll Freiwilliger mit kompliziertem Regelwerk auseinandersetzt, könnte das Ergebnis nur ein hoch kompliziertes Regelwerk sein. Die Partizipation könnte auf der Strecke bleiben. Ist aber nur so ein Gedanke von mir. Wenn die Online-Wahlen so kompliziert sind, könnte man das zugehörige Tools zunächst für Meinungsbilder einsetzen, um den Gebrauch zu üben.

Partizipation ist bei Wikimedia Deutschland bisher nicht gelungen, und das nicht, weil das niemand will. (ehrenamtlicher Wikimedia Funktionär)

Q: Warum redet ihr im Verein so viel über Partizipation und macht es nicht einfach?

A: Ich glaube fast, dass der Verein das mit der Einbindung von Freiwilligen und Mitgliedern in seine Arbeit demnächst ganz sein lassen wird. Dass es auch ohne gut geht, sieht man an der gegenwärtigen Arbeitsweise der Geschäftsstelle. Ich fürchte nur, dass diese Entscheidung zu einer Loslösung aus der Wikimedia Bewegung führt. Vor allem aber wird die Finanzierung über selbstgeschaltete Spendenbanner in der Wikipedia dann nicht mehr begründbar sein.

Q: Da Greenpeace ohne dieses Partizipationsdings funktioniert, könnte das hier doch auch gehen, oder?

A: Ja, kann es. Es wäre auch nicht die erste Organisation, die sich aus der Wikimedia Bewegung heraus gründet. Aber das wäre dann nicht mehr mein Verein.

Vollständige Partizipation ist genauso unerreichbar wie der Weltfrieden. (ehrenamtlicher Wikimedia Funktionär)

Q: Stimmt doch, oder?

A: Ja, aber jede Verallgemeinerung ist gefährlich. Es gibt doch Abstufungen zwischen Weltkrieg und Weltfrieden.

Man kann doch nicht die Mitglieder über Entlassung von Mitarbeitern abstimmen lassen. (ehrenamtlicher Wikimedia Funktionär)

Q: Wenn ich jetzt „Stimmt doch, oder?“ frage, gibst Du mir dann dieselbe Antwort wie eben?

A: Ja.

Q: Gab es etwas, was Dich überrascht hat?

A: Ja, dieses Zitat eines ehemaligen Mitarbeiters der Geschäftsstelle:

Die Geschäftsstelle ist eine Blackbox. Man weiß nicht, was dort gemacht wird. Auch als Mitarbeiter weiß man wenig darüber, was in der Nachbarabteilung passiert. (ehemaliger Wikimedia Mitarbeiter)

Q: Was hat dich daran überrascht?

A: Ich habe diese Erfahrung selbst gemacht, als ich für ein paar Monate nicht im Präsidium mitgearbeitet habe. Ich habe jedoch den Eindruck, dass ich diese Erfahrung nicht durch Erzählungen vermitteln kann. Meine Zuhörer verstehen nicht oder erst nach sehr langer Zeit, was ich über diese Erfahrung erzähle. Anscheinend muss man selbst in die Lage kommen, bevor man Verständnis dafür hat. Jetzt von jemandem genau meine Erfahrung aussprechen zu hören, hat mich überrascht.

Q: Hat Dir die Veranstaltung gefallen?

A: Ja, sehr. Ich konnte mich über den Jahresplan und das Stellen von Anträgen austauschen. Wenn ich allein in meiner Stube sitze, komme ich viel schwerer oder gar nicht mit solchen Themen voran. Das sollte unbedingt fortgeführt oder ausgebaut werden.


P.S. Man lese auch: Wikimedia lenken und formen: die erste Antragsgarage von WMDE fand statt.


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