Ich habe endlich Zeit gefunden, mich ausführlicher mit dem Governance Review für Wikimedia Deutschland zu beschäftigen (Erläuterungen, Dokument). Es gibt bereits eine rege Diskussion dazu. In diesem Beitrag fasse ich meine Kommentare zusammen.
WMDE hat eine beachtliche zehnjährige Erfolgsgeschichte, verbunden mit einem großen Spendenaufwuchs (2013 war das Spendenaufkommen das 18fache von 2008) und raschem organisatorischem Wachstum, hinter sich. – S. 6
Es werden als mit der „beachtlichen Erfolgsgeschichte verbunden“ Spendenaufwuchs und organisatorisches Wachstum genannt. Das klingt, als sollten das die Belege für die „Beachtlichkeit“ sein. Es sollte herausgestellt werden, dass dies Begleitumstände sind, die positiv und negativ auf die Vereinsgeschichte gewirkt haben.
Das 3. Präsidium agierte deshalb bis zu den neuen Wahlen im November 2014 mit 8 statt 10 Mitgliedern und einem nachbesetztem Präsidiumsvorsitzenden. – S. 7
Warum wird das erwähnt? Werden damit Auswirkungen impliziert? Welche?
Die Einführung eines angemessenen Kontrollinstruments ist für das Beraterteam eine prioritäre Aufgabe seitens des Präsidiums – S. 11
Wieso ordnet das Beraterteam diese Aufgabe dem Präsidium zu? Diese zeitaufwändige Aufgabe, die tiefe Kenntnisse der Abläufe, Prozesse und Arbeitsweisen der Geschäftsstelle erfordert, ist meines Erachtens dem Vorstand zuzuordnen. Der kann dies an Mitarbeitende oder initial an externe Beratende delegieren. Das Präsidium ist mit der Fortschreibung der Strategie sowie der Wahrnehmung der Kontrollfunktion genügend ausgelastet. Warum soll es den Aufbau eines Berichtswesens übernehmen, was sehr spezielle Kenntnisse und Erfahrungen bedarf? Warum soll es Aufgabe des Präsidiums sein, Vorgaben für die Berichterstattung zu machen? Es bedarf einer tiefen Kenntnis der Arbeitsweise der Geschäftsstelle, um Vorgaben für Berichte zu machen zu können. Das Präsidium schreibt die strategische Ausrichtung des Vereins fort. Die Vorgaben für den Vorstand ergeben sich aus den Strategiepapieren, den Leitlinien, den Kommentaren zum Jahresplan und den Kommentaren zu den Berichten des Vorstands. Vorgaben zu Kennzahlen und Informationsbedarf können immer nur allgemeiner Natur sein. Die konkrete Ausgestaltung erfolgt dann anhand der konkreten Berichte.
Zuständigkeit für die Strategie-Entwicklung – S. 11
Wieso wird nicht auf eine Einbindung des Präsidiums in die Jahresplanung eingegangen? Es wird zwar auf die Wichtigkeit der Einbindung des Vorstandes in die Strategieentwicklung verwiesen – warum aber nicht auf die ebenso logisch Einbindung des Präsidiums in die Planung der Umsetzung? Diese ist formal ebenfalls nicht festgeschrieben und in der Praxis erfolgte eine reine Alibi-Einbindung. Die Information liegt dem Beraterteam vor – warum wird nicht darauf eingegangen?
Dies hat in der Vergangenheit zu Reibungen geführt, da Strategie-Entwicklung und Operationsplanung (Jahresplanung) nicht ausreichend koordiniert waren – S. 11
Warum müssen diese mehr koordiniert werden? Es hat ja nicht in jedem Jahr eine neue Strategie gegeben. Die Jahresplanung orientiert sich an der vorliegenden Strategie. Wenn keine geänderte vorliegt, dann ist das so. Zudem sind Änderungen an der Strategie nicht vom heiteren Himmel gefallen, da der Vorstand immer eng in die Strategieentwicklung eingebunden war. Strategie ist außerdem etwas langfristiges. Hier wird scheinbar ein Strategieprozess gefordert, der jährlich pünktlich zu Beginn der Jahresplanung eine erneuerte Strategie vorzulegen hat. Da wird das Pferd von hinten aufgezäumt.
da (…) das Präsidium nicht immer den Strategiebildungsprozess stringent und zeitnah vorangetrieben hat. – S. 12
Inwiefern muss eine Strategieplanung zeitnah erfolgen, bzw. zu “was“ soll das Fortschreiben der Strategie „zeitnah“ sein? Zur Jahresplanung?
Zwar ist es dem Präsidium freigestellt, den Vorstand einzubinden, dies ist aber nicht ausreichend festgeschrieben. – S. 12
Der Vorstand war immer sehr eng in die Strategieentwicklung eingebunden, auch wenn das formal nicht festgeschrieben war. Was ist durch die fehlende Formalie unterblieben? Wird durch die Festschreibung der Vorstand tiefer eingebunden? Oder wird nur der bestehende Zustand formalisiert? Dieser Abschnitt erweckt jedenfalls den Eindruck, als ob durch die Festschreibung der Einbindung ein Mangel entstanden wäre.
Ressort-Ansatz des Präsidiums – S. 13
In diesem Abschnitt wird meines Erachtens völlig verkannt, dass die Einführung des Ressort-Ansatzes ein Versuch des Präsidiums war, das mangelhafte Berichtswesen zwischen Vorstand und Präsidium eigeninitiativ auszugleichen. Durch das direkte Gespräch mit den Bereichsleitern erhofften sich die Präsidiumsmitglieder Informationen aus dem Geschäftsbetrieb, auf deren Grundlage sie bei der Umsetzung der aus den strategischen Vorgaben abgeleiteten Planungen helfen und steuernd eingreifen könnten. Die unterschiedliche Ausgestaltung des Ressort-Ansatzes ergab sich aus den unterschiedlichen Erfahrungen der Präsidiumsmitglieder. Ein weiterer Faktor war die mangelnde Begleitung der Einführung des Ressort-Ansatzes. Die Einführung beschränkte sich auf die Vorlage der entsprechenden Geschäftsordnungsänderung durch ein Präsidiumsmitglied und einer relativ kurzen Beratung dazu. Der Ressort-Ansatz war nur ein Behelf und forderte den Präsidiumsmitgliedern Managementaufgaben ab, die im Ehrenamt für eine solch große Organisation nicht leistbar sein. Zudem halte ich es grundsätzlich für falsch, dem Präsidium Managementaufgaben zuzuordnen.
Alternativ zu den Ressorts sollten vom Präsidium Arbeitsgruppen/Arbeitskreise (…) eingerichtet werden
Hier fehlt eine Empfehlung zur Zuständigkeiten und der Verbindlichkeit von in den Arbeitskreise erarbeiteten Entscheidungsvorlagen. Wenn die vorgeschlagenen Arbeitskreise keine Alibi-Veranstaltungen werden sollen, in denen die Zeit der Ehrenamtlichen folgenlos verbrannt wird, sollte hier ebenso klare Festlegungen getroffen werden, wie sie für die Strategieentwicklung verlangt werden.
Die Ansprüche an Managementkompetenzen in einem Verein, der stark gewachsen ist und mehrere Millionen Euro sinnvoll in Ergebnisse umsetzen soll, erfordern auch vom Präsidium hohe professionelle Standards. – S. 15
An diesem Punkt muss ich entschieden und grundsätzlich widersprechen. Das Präsidium ist kein Managementorgan. Ich bediene mich der Einfachheit halber bei Warren Bennis, weil ich mich vor kurzem mit ihm beschäftigte: Das Präsidium ist ein Führungsorgan (strategische Ausrichtung fortschreiben; Zielvorgaben für Vorstand formulieren; Geschäftsführung kontrollieren und beaufsichtigen) kein Managementorgan. Manager und Führer machen vollständig unterschiedliche Sachen. Manager verwalten, Führer erneuern. Manager konzentrieren sich auf Systeme und Strukturen, Führer auf Menschen und ihre Fähigkeiten. Manager fragen „wie“ und „wann“, Führer fragen „was“ und „warum“. Manager akzeptieren und festigen den Status quo, Führer fordern den gegenwärtigen Zustand immer wieder heraus. Manager machen die Sachen richtig, Führer machen die richtigen Dinge. Das Präsidium sollte mit Managementaufgaben vertraut sein, es „managed“ den Verein jedoch in keiner Weise. Trotz und wegen der fundamentalen Unterschiede in der Herangehensweise von Vorstand und Präsidium sollten sie sich zum Wohle des Vereins ideal ergänzen. Vorstand und Präsidium sollen sich nicht bekämpfen, sie sollen sich aber auch nicht aneinander angleichen. (Davon unabhängig wird der Vorstand gegenüber den Bereichsleitungen der Geschäftsstelle wiederum als teilweise als Führungsperson auftreten, um die Weiterentwicklung zu fördern.)
Kommunikations- und Abstimmungsprozesse ergeben bei einer relativ hohen Zahl von 10 Präsidiumsmitgliedern einen hohen Aufwand. – S. 15
Ich kann aus meiner mehrjährigen Erfahrung in der Präsidiumsarbeit keine sich durch die Anzahl der Präsidiumsmitglieder ergebenden hohen Aufwände bei Kommunikations- und Abstimmungsprozesse erkennen. Die Präsidiums erfolgt überwiegend asynchron, gestützt auf Online-Tools (Wiki, Google Drive, Mails), sowie synchron per Telefon und durch persönliche Treffen. Eine hohe oder niedrige Anzahl der Mitglieder hatte meines Erachtens keine Auswirkung. Die Anzahl von zehn ermöglichte im Gegenteil immer, dass eine ausreichende Anzahl der ehrenamtlichen Präsidiumsmitglieder zusammenkam, um Diskussionen voranzutreiben und Entscheidungen zu fällen.